Unter Köchen

Ein kleiner Zettel am schwarzen Brett unseres Wohnviertels war schuld. Dort kündigte eine Italienerin ihren Kochkurs an. Ideal für eine First Lady wie mich, dachte ich, die ihrer schwer schuftenden Partnerin von Zeit zu Zeit etwas Gutes tun will. Auch war ich auf die anderen, echten First Ladies gespannt, die sich dort sicherlich einfinden würden. Aber ich hatte den wahren Charakter einer First Lady gründlich verkannt.

Freitagmorgen, 9.55 Uhr. Hatte das Auto auf dem Parkplatz einer der vielen Shopping-Malls abgestellt und hetzte nun in Richtung Institut für italienische Kultur. Punkt 10 Uhr eilte ich durch den Eingang des Hauses und wurde prompt vom martialischen Wachmann zurückgepfiffen. Erst einmal Gästeliste ausfüllen, Nummer des Reisepasses eintragen und den Pass selbst bei ihm lassen. Wie, beim ihm lassen? Doch, doch, das sei die Regel, versicherte er mir.

Keine Zeit für Diskussionen. Ich winkte meinem Reisepass „Goodbye“ und fuhr mit dem Fahrstuhl in den fünften Stock. An der Rezeption des Instituts musste ich erneut ein Gästebuch ausfüllen. Ob ich nur heute käme, oder den ganzen Kurs besuchen wollte? Was hätte ich davon, wenn ich alle vier Tage buchen würde? Dann wäre es billiger, und außerdem bekäme ich eine Gratis-Schürze. Eine Schürze besaß ich bereits, und außerdem wollte ich erst einmal sehen, worauf ich mich hier einließ. Also, erst einmal danke, nein.

Die Lehrküche war ein einfacher, kleiner Seminarraum mit zehn Stühlen, einer kleinen Spüle, einer Arbeitsplatte und einem vierflammigen Herd. Ich schaute in die Runde. Wir waren acht, davon sechs Männer, zwei Frauen, sechs Kenianer, zwei Ausländer. Ich staunte. Eigentlich hatte ich hier eine Art Volkshochschulkurs für die gelangweilte Diplomaten-Gattinnen erwartet. Und nun saßen da lauter Einheimische, die schon ihre Schürze umgebunden hatten und mit der Kladde auf dem Schoß auf den Beginn des Kurses warteten.

Die Lehrerin stammte aus Turin, im Piemont gelegen. Sie stellte das heutige Menü vor, eine Art Risotto mit frischer Salami, roten Bohnen und Speck, Rigatoni mit einer Pesto-Bechamel-Soße und zum Nachtisch einen im Ofen gebackenen Pudding, namens Bonet. Vielleicht hatte ich fragend geguckt, jedenfalls strich sie sich sachte über den beschürzten Bauch und meinte, ja, das sei heute keine Diät-Küche, wirklich nicht.

Den Unterschied zwischen Amateuren und Profis beim Kochen bemerkt man nicht nur am Geschmack, sondern schon während des Kochens selbst. Unsere piemontesische Lehrmeisterin war die Ruhe selbst. Mit knappen, sicheren Handgriffen, goss sie hier, rührte dort, regelte die Temperatur, wog etwas ab, ganz ruhig, niemals hektisch und absolut effizient. So werkelte sie vor sich hin, und wir Lehrlinge schauten zu, diskutierten, fragten, kosteten und lernten uns alle ein wenig kennen.

Dabei stellte sich heraus, wer die anderen Teilnehmer waren. Von einer Engländerin abgesehen, waren alle anderen Kenianer. In meiner ersten Überraschung hatte ich angenommen, hier auf die zeitlich schon sehr entspannte kenianische Mittelklasse getroffen zu sein, die sich am Freitagmorgen den Luxus gönnt, ihr kulinarisches Wissen zu erweitern. Aber natürlich war das nicht so. Außer uns beiden, der Engländerin und mir, waren alle anderen Köche, die in begüterten Haushalten für Abwechslung auf dem Tisch sorgen wollten oder sollten.

So ist das also mit den First Ladies. Man kocht nicht, man lässt kochen. In Ghana hatten wir eine Haushälterin, die gute kochen konnte. Einmal, als ich ein Essen nicht ganz so gut gewürzt fand, fragte ich sie, ob sie es eigentlich probiert hätte. Darauf erwiderte sie, und ich glaubte dabei einen Anflug von Abscheu zu erkennen, dass sie das Essen, das sie für uns täglich kochte, niemals versuche. Obwohl es immer gut war, hatte ich danach ein wenig die Lust auf Fremdköche verloren und lege nun lieber selbst Hand an den Herd.

Der kenianisch-italienische Kochkurs hatte mich jedenfalls überzeugt. Nach kurzweiligen drei Stunden hatten wir das Menü nicht nur gemeinsam gekocht, sondern auch gegessen. Bevor ich das Institut verließ, buchte ich nachträglich doch noch den gesamten Kurs. Und bekam meine Schürze.