Technik, die begeistert

Ich fahre keinen Opel. Dennoch darf ich diesen alten Slogan im Titel hübsch finden. Es geht hier auch nicht um Opel oder sonst irgendeine Marke. Meine Thema heute ist automarkenübergreifend. Jedes Auto hat Räder, jedes Rad hat einen Reifen, und jedem Reifen kann es passieren, platt gefahren zu werden. Eine Hommage an das Autofahren mit Loch in Kenia.

Übrigens: In diesem Beitrag sind noch weitere 41 Slogans von Autoherstellern versteckt. Wer sie selbst suchen möchte, bitte weiterlesen. Wer es einfacher haben will, der klicke hier.

Die Straßen in Nairobi sind stellenweise so schlecht, dass die Freude am Fahren deutlich leidet. Schlaglöcher so breit und tief wie Kinderbadewannen und fordern die ganze Aufmerksamkeit. Wer dort einfach mal so zoom zoom hineinrauscht, dem fehlt schnell ein Vorderrad.

Es gibt zwei Möglichkeiten, dem zu entgehen: Man könnten beim Fahren entweder mehr Sport wagen und die Löcher mit Vollgas einfach überspringen – nur Fliegen ist schöner. Alternativ könnte man aus Liebe zum Automobil auch langsam und Haken schlagend um jedes Schlagloch herumschleichen, eine Möglichkeit wofür sich hier die Mehrzahl der Autofahrer entscheidet.

Wie auch immer, Fahren in seiner schönsten Form sieht anders aus. Irgendwann rächen sich die scharfen Kanten an den Löchern, die harten Bodenwellen, die spitzen Steine, die unter dem weggehobelten Straßenbelag hervorlugen oder auch Glasscherben, Stahlteile, Schrauben oder Nägel, die in großen Mengen herumliegen.

Die Zukunft des Automobils scheint hier vorgezeichnet zu sein. Früher oder später ist er platt, der Reifen, und dann läuft und läuft und läuft er eben nicht mehr. So geschah es vor ein paar Tagen. Ich ging um das Auto herum und entdeckte, dass der linke hintere Reifen untenherum etwas zu bauchig aussah. Da war wohl ein neuer fällig.

Glücklicherweise war der Reifen noch nicht völlig platt, ich konnte also zur Werkstatt fahren, wenn auch dem Temperament auf vier Rädern deutliche Grenzen gesetzt waren. Doch auch drei Räder helfen verdienen, und das kleine Wunder geschah: Ich erreichte die Werkstatt ohne Probleme, wies auf den halb platten Reifen und meinte, ich bräuchte wohl einen neuen.

Unsinn, entgegnete mir der kenianische Automechaniker, den flicke ich Dir. Reifenflicken kannte ich bis dahin nur vom Fahrradfahren. Am Auto war mir die Idee ein wenig unheimlich. Könnte ich nicht vielleicht doch einen neuen Reifen haben, fragte ich, da weiß man was man hat. Doch der Mechaniker lehnte ab. Das sei verschwendetes Geld.

Zuerst dachte ich, ist mir egal, ich will das Beste oder nichts. Doch lenkte ich schließlich ein. Nichts ist umöglich, das hatte ich in Kenia schon gelernt. Während in Deutschland der bloße Gedanke an den TÜV diese Reparatur verhindert hätte, galt in Kenia: frisches Denken für bessere Autos, open your mind.

Ich ließ den Mann also machen und wartete gespannt. Er nahm das Rad ab und tauchte es in Wasser, um das Loch zu finden. Das Blubbern verriet die Stelle, an der sich eine ziemlich dicke Schraube in den Reifen gebohrt hatte.

Der Mechaniker zog sie heraus und steckte stattdessen einen Schraubenzieher mit Öse hinein, den er vorher in Klebstoff getunkt hatte. Nach einer Weile zog er den Schraubenzieher wieder heraus und führte nun ein Plastikstäbchen mit der Aufschrift „Permacure“ in die Öse, und steckte beides zusammen wieder in den Reifen. Dann zog er den Schraubenzieher wieder heraus, schnitt das Plastik oben ab. Fertig. Die tun was, die Kenianer.

Das soll’s gewesen sein? Ich konnte es nicht glauben und war gespannt, ob er hält, was er verspricht. Er tunkte das Rad wieder ins Wasser. Donnerwetter, tadellos, da blubberte nichts mehr. Das war wirklich Vorsprung durch Technik. Hatte ich am Ende tatsächlich die richtige Entscheidung getroffen?

Das kam auf den Preis an. Ich fragte, und er antwortete, 250 Kenya Shilling, etwa 2 Euro 50. Macht viel Freude, kost‘ nicht viel, dachte ich begeistert. Ich gab ihm ordentlich Trinkgeld, für besondere Leistungen. Dankbar sagte er zum Abschied: I am always there for you.

Ich bezahlte und fuhr davon. Nun war auch mein Auto wieder die First Lady unter den Automobilen. War das Fahrgefühl zuvor in den Kurven etwas wabbelig gewesen, fand ich nun, der fährt wie auf Schienen. Es war wieder ein Wagen, der Freude macht, mit dem man auch zur Not trotz Regen rollern konnte. Willkommen zuhause, dachte ich. Die Reparatur war eine Klasse für sich, günstig und gut. Das war einfach überraschend. Überzeugend. Anders, als ich erwartet hatte.

Zwei Dinge sind es, die mich im Nachhinein beschäftigen. Erstens frage ich mich, wie lange die Reparatur halten wird, und wie sicher sie ist. Schließlich bietet mein Auto keine Sicherheit aus Schwedenstahl. Ich habe allerdings mit vielen Kenianern gesprochen, die mir alle bestätigten, dass das hierzulande immer so gemacht wird und der Reifen nun so gut wie neu sei.

Zweitens habe ich im Internet nach dieser Reparaturmethode recherchiert und mir die Bedienungsanleitung heruntergeladen. Im Prinzip scheint diese Permacure-Methode zu funktionieren und wird sogar unter den strengen Augen des TÜV in Deutschland verkauft. Nur hat der kenianische Mechaniker etwa die Hälfte der nötigen Arbeitsschritte weggelassen. Mir ist schon ein bisschen mulmig. Schließlich sind Autos zum Leben und nicht zum Sterben da. Ich will kein Risiko eingehen, jeder Kilometer soll ein sicheres Vergnügen sein.

Aber vielleicht ist das die Lehre, die ich nicht nur aus dieser Episode, sondern aus dem ganzen Aufenthalt in Kenia ziehen sollte: Grab life by the horns. Vielleicht ist genau das der Punkt im Leben, wo die Freiheit beginnt.

Es gibt mehr im Leben als Essen, Kleidung, Wohnen, Volkswagen. Don’t dream it. Drive it. Wir sollten jederzeit mit vollem Ernst sagen können: Leidenschaft ist unser Antrieb. Das wäre ganz schön clever.