Strulla, strulla, strullala…

Ich bin Schwabe, und das ist auch gut so. Muss ich deshalb meinem Kind Dialekt beibringen? Muss ich nicht. Es ist einfach passiert und schien mir zunächst rätselhaft, wie eine spontane Selbstmanifestation des Schwabentums in unserem eigentlich sehr dialektfreien Haushalt.

Eines Tages kamen Bb und ich nach dem Kindergarten zuhause an. Auf dem Weg die Treppe hoch, sang sie, sehr laut, weil es da so schön hallt, ein Liedchen. Melodie und Rhythmus schienen mir tief vertraut. Nur die Erinnerung an den Text wollte sich nicht einstellen.

Es klang wie: „Schdugulmobeeberachmäkebäuredulebach.“

Während ich ihr beim Erklimmen der hohen Stufen half, blieb ich stehen und fragte: „Bitte, wie?“

Gerne wiederholte sie: „Sdugolmobibaramekkaabäuledurlehach.“

Oben angekommen sagte Bb, sie müsse jetzt auf die Toilette. Ich öffnete, geschwind lief das Kind den Gang entlang, und verschwand hinter der Klotüre. Das Geräusch des klappenden Toilettendeckels wurde von einer weiteren Liedzeile untermalt: „Strulla, strulla, strullala…“

Da klingelte es bei mir. Es war das Lied von der schwäbischen Eisenbahn. Mit einer situationsgerechten Variation des Refrains „Rulla, rulla, rullala.“ Ein „Pipi-Kaka-Witz“ analysierte ich scharf aus der Ferne und war mit der Persönlichkeitsentwicklung meines Kleinkindes hochzufrieden.

Die Frage blieb, woher kam, hier mitten in Hessen, das urschwäbische Volkslied? Die genetische Weitergabe konnte in unserem Fall ausgeschlossen werden – falls die in diesem Fall überhaupt in Frage kommen sollte. Sang ich vielleicht im Schlaf – oder unbewusst beim Staubsaugen?

Die Lösung war ganz einfach. Die Oma von Bbs bester Freundin X stammt aus meiner kleinen schwäbischen Heimatstadt. Wir hören zwar hin und wieder, dass die X jetzt doch nicht mehr die beste Freundin ist, sondern die Y, aber diese Sympathien scheinen so volatil zu sein wie der Börsenkurs eines Pennystocks.

Außerdem hinderte es die beiden Mädchen nicht, beim Kinderturnen gemeinsam aufs Klo gehen zu wollen und darauf zu bestehen, dass dies nur, und unter keinen Umständen anders, als in Begleitung des Babaa, also mir, stattzufinden habe.

Da stand ich also, in Vorraum der winzigen Turnhallentoilette, und hinter der Kabinentüre erschollen, zweistimmig vorgetragen und von den gekachelten Wänden ins nahezu Schmerzhafte multipliziert, die Worte: „Strulla, strulla, strulala…“