Homesick-Food, mal andersherum (mit Rezept)

Nach einigem Hin und Her traf ich endlich in meiner nicht allzu großen süddeutschen Heimatstadt ein. Da ich meiner Schwester einmal ein ghanaisches Kochbuch mitgebracht hatte, schlug sie vor, daraus etwas für die ganze Familie zu kochen. Eine gute Idee, fand ich, und staunte, dass ich erst wieder 5000 Kilometer in den kalten Norden fliegen musste, um auf die naheliegende Idee zu kommen, das mal selbst auszuprobieren. Unsere Wahl fiel auf eines meiner ghanaischen Lieblingsgerichte: Red-Red. 

Red-Red heißt so, weil es doppelt rot ist: ein Mal rot, weil die Basis eine sehr dicke Tomatensuppe ist, ein zweites Mal rot, weil man zum Kochen und Braten Palmöl verwendet, das ebenfalls eine tief rotorange Farbe hat. Schon beim Lesen dieser Zutat bekam ich aber meine ersten Zweifel. Würde es in der kleinen schwäbischen Großstadt überhaupt afrikanisches Kochzubehör geben? Palmöl wo Sonnenblumen, Raps und Disteln wachsen, Kochbananen statt Erdbeeren, Äpfel und Pflaumen, und was genau sollten eigentlich Black Eyed Peas sein, wenn nicht gerade eine Pop-Band?

In einer kleinen Gasse gleich neben der Fußgängerzone lag der kleine Laden, der an die Tante Emma-Läden von früher erinnerte: Hat von allem ein bisschen, ist ziemlich vollgestopft, und die Verkäuferinnen sitzen gemütlich hinter der Kasse. Alles ist etwas langsam und hat nichts mit dem Robo-Shopping zu tun, wo wortlose Kassierer an laser-bewaffneten Kassen  sitzen und mit standardisierten Handbewegungen wie in Chaplins „Moderne Zeiten“ die Waren, Barcode nach unten, von links nach rechts ziehen.

Draußen war es nasskalt, das Wetter konnte sich nicht entscheiden, ob es nur Winter spielen oder doch Ernst machen wollte. Es schneite, und das was unten ankam, verwandelte sich in etwas, das ein Freund von mir „Flüssigschnee“ nennt. Dem Aushilfs-Ghanaer fällt sofort auf: Besucher einer deutschen Fußgängerzone kleiden sich mit Vorliebe in einem schwärzlichen Grau, einem grauen Schwarz oder gleich vollkommen Schwarz. Die vielen Millionen Farben, die das menschliche Auge angeblich sieht, scheint der deutsche Winter auf ein paar wenige Grautöne zu reduzieren. Vielleicht verausgaben sich unsere Farben im Herbst so sehr, dass sie sich im Winter anderswo erholen müssen.

In dem kleinen Laden saßen drei Damen aus Kamerun hinter der Kasse, dick mit bunten Jacken, Mützen und Schals eingepackt und zu ihren Füßen strahlte rötlich ein kleiner Elektroofen. In der Mitte waren Kochbananen aufgestapelt, um die herum zwei Kinder Fangen spielten. Das war doch gleich etwas ganz anderes. Ich strahlte sie an, wie man das in Ghana so macht, sie strahlten zurück, und als wir alle mit einander Anstrahlen fertig waren, konnte der Einkauf losgehen. Was Red-Red war, wussten sie nicht (vielleicht hätte ich Rouge-Rouge sagen sollen), aber da Kamerun wie Ghana in Westafrika liegt, gab es dennoch alles, was wir brauchten.

Das Palmöl in der Flasche war zunächst nicht ganz, wie ich es mir vorgestellt hatte: Es war nicht flüssig, sondern fest. So hatte das in Ghana aber nicht ausgesehen, aber da betrug die Raumtemperatur ja auch immer mindestens 28 Grad. Die jeweilige Zimmertemperatur hat erstaunliche Auswirkungen auf Essen und Trinken. Glaubt man dem Rücketikett einer Rotweinflasche, dürfte man ihn in Ghana nahezu handwarm trinken. Weißer wie Roter lagerten bei uns deshalb immer im Kühlschrank. Auch die Zubereitung eines Mürbeteigkuchens funktioniert etwas anders. Kaum dem Kühlschrank entnommen, schmilzt er in der Hand schneller weg, als man „Auswalzen“ sagen kann. Die Geschwindigkeit der Handbewegungen erinnert deshalb auch eher an Karate als an Backen.

Red-Red besteht eigentlich aus drei Teilen – einer Art Bohneneintopf, den gebratenen Kochbananen und Fisch oder Huhn. Hier nun Zutaten und Zubereitung.

Red-Red – Bohneneintopf

Zutaten

2 Becher Black Eyed Peas (Augenbohnen)
3 Becher Wasser
1,5 Becher konzentrierte Tomatensuppe
0,5 Becher grüner Paprika, gehackt
0,5 Becher Zwiebel, gehackt
1,5 Teelöffel Salz
2 Esslöffel Palmöl

Zubereitung

Bohnen waschen und etwa 45 Minuten kochen. In unserem Laden bekamen wir sie in der Dose; wir mussten sie also nicht mehr weichkochen, sondern nur noch in die Tomatensuppe geben. Tomatensuppe in einem kleinen Topf ein paar Minuten erhitzen, ab und zu umrühren. Die zwei Löffel Palmöl einfach hineingeben und mit kochen. Wir haben allerdings nur einen Löffel genommen, um die Öligkeit etwa zu reduzieren. Falls sich nun jemand fragt, wie man festes Öl aus einer Flasche bekommt: Unsere Flasche war aus Plastik, und ich habe einfach seitlich draufgedrückt, etwa wie auf eine Zahnpastatube. Sollte die Flasche aus Glas sein, vielleicht im Wasserbad erwärmen. Den gehackten grünen Paprika und die gehackten Zwiebeln dazugeben und 15 Minuten kochen. Dann die gekochten Bohnen sowie dem Salz unterrühren und 10 Minuten erhitzen. Den Bohneneintopf auf die gebratenen Kochbananen (Plantain) geben. Red-Red soll dickflüssig sein, muss sich aber noch gießen lassen. Notfalls mit zusätzlichem Wasser abstimmen.

Fried Plantain – Gebratene Kochbananen

Zutaten

3 Becher Palmöl
5 reife Kochbananen (gelb, unreife sind grün)
Salz

Zubereitung

Das Öl auf mittlerer Stufe in einer Pfanne erhitzen, nicht zu heiß, sonst raucht und stinkt es ganz kolossal. In jedem Fall ist der Geruch des heißen Palmöls etwas gewöhnungsbedürftig, und mein Sweatshirt brauchte eine ganze Nacht im Winterwind, um wieder einigermaßen neutral zu riechen. Was es um die Küche meiner Schwester steht, weiß ich nicht. Ich bin tags darauf abgereist.

Kochbananen schälen und schräg in ca. 2 Zentimeter dicke Stücke schneiden.

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Mit Salz bestreuen und für 10 Minuten in der Pfanne braten, hin und wieder wenden, bis die Kochbananen goldbraun und knusprig sind.

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Die Bananen dann auf ein Stück Küchenkrepp legen und das überschüssige Öl abtupfen.

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Huhn oder Fisch

Huhn oder Fisch nach Belieben im Ofen grillen. In Ghana ist alles immer knackig mariniert und sehr stark gegrillt. Wir hatten pro Person einen schönen großen Hühnerschlegel vorgesehen, was zusammen mit allem anderen ausreichte.

Servieren

Klassisch wäre es, das Huhn auf den Teller zu legen, den Eintopf drüber zu gießen und die Kochbananen am Rand zu platzieren. Da bis auf mich alle Anfänger waren, was Red-Red anbetraf, stellten wir alles in getrennten Schüsseln auf den Tisch, sodass jeder erst einmal gucken, schnuppern und probieren konnte.

Bon Appetite (das ist kein Schnack, das sagen die Ghanaer wirklich)