Ausländer im Ausland

Schon Berthold Brecht soll es gewusst haben: Wir sind alle Ausländer – fast überall. In Nairobi, wenn ich in meinem Lieblingscafe sitze und um mich herum Vertreter von 30 Nationen ihren Cappucino schlürfen, sind wir alle gleich. Laufe ich auf der Straße, im Strom der Einheimischen, bin ich fremd. Und dieses Gefühl ist durchaus noch steigerungsfähig.

Kürzlich las ich eine Meldung aus Deutschland, dass ein Mann von der Polizei aus einem Bus gezerrt wurde, weil ein Frau ihn Koran-Verse zitieren hörte. Ich hatte die Sache schon wieder vergessen, aber jetzt sehe ich, dass zwei Reihen vor mir im Flugzeug eine ganze Familie verdächtig aussehender Menschen sitzt. Sie, komplett vermummt, er, von prächtigem Bartwuchs geziert, die Kinder mit Schleiern und Hüten versehen, und die Kleinste, die sich gerade nach dem Lüfter reckte, hat einen kunstvoll Henna-verzierten Arm.

Na, wenn das nicht verdächtig ist. Und es sind nicht die einzigen. Wohin ich schaue, Turbanträger, Vollbärte, Verschleierte. Bei Allah, wo bin ich da nur hingeraten? Ganz einfach: In ein Flugzeug der Linie GulfAir, das auf dem Weg nach Frankfurt im Königreich Bahrain zwischenlandet. Was normal ist, oder nicht, ist einfach abhängig davon, wo man sich gerade befindet. Hier würde es bestimmt niemand seltsam finden, wenn ein Passagier im Koran liest. Vor allem dann nicht, wenn wir durch Turbulenzen über dem Roten Meer fliegen, wie eben erst. Da nehme auch ich gerne jeden Gott, der gerade in der Nähe ist.

Vielleicht ist es da viel bedenklicher, was hinter meinem Rücken vorgeht. Seit gut einer Stunde unterhält sich eine junge Frau mit einem Kanadier und klingt dabei mit ihrem deutschen Akzent wie die Hollywood-Filmnazis, die immer solche Sachen sagen wie: “Zuun, ve vill ruhl ze world.” Die Nazis, oder Geistesverwandte, haben ja jüngst auch wieder von sich reden gemacht. In Norwegen, blond, blauäugig von vollkommen frei von jedem Bart. Und was die Frau so erzählt, ist so belanglos, dass es sich nur einem einen Geheimcode handeln kann.

Etwa so:

“Meine Tante Berta hat heute ihren Regenschirm dabei.”

“Ach, dabei soll es doch heute gar nicht regnen”.

So, oder so ähnlich gehört, in “Captain America”, einem neuen Hollywood-Superheldenkracher, in dem es auch gegen die Nazis geht.

Das Inflight-Entertainment der GulfAir ist ebenfalls nahöstlich gefärbt. Zuerst geht es eigentlich ganz normal los, mit einer alten Folge von “Two and a half men”, noch mit einem schon reichlich abgehalfterten Charlie Sheen. Dann eine müde Folge der Serie “Modern Family”. Und schließlich eine Serie, die so langweilig ist, dass ich sie sofort vergesse. Nach dem Essen geht es weiter mit “Just for Laughs”, der südafrikanischen Version von “Versteckte Kamera”, nur viel lustiger.

Normalerweise werden zu den kurzen Episoden kleine Musikstücke eingespielt und Gelächter aus der Dose. GulfAir hat sich aber zu etwas total Innovativem entschlossen. Die Tonspur wurde ersetzt durch einen Herrn, der in Arabisch singt, klangvoll, langgezogen und a cappella. Es ist sicherlich keiner, aber für das ungeübte Ohr (so wie meines) hört es sich an, wie der stundenlange Ruf des Muezins. Das korrespondiert mit den Szene aus Kanada, England oder sonst irgendwo im industrialisierten Westen aber so was von gar nicht. Da könnte man ebenso zu den Bildern einer Straßenszene in Dubai eine fesche niederbayerische Blasmusik einspielen. Werde das bei Gelegenheit GulfAir mal vorschlagen.

Später trabe ich durch die Konsumanlagen des Flughafens, wo sich Boss-Parfüme, Apple Ipads und Johnny Walker Black Label stapeln. Es ist der Fußgängerzoneneffekt, der wie in einer beliebigen deutschen Stadt dazu führt, dass ich nicht mehr weiß, wo ich bin. Die acht Drogerieketten, den Elektro-Großmarkt, die Buchhallen und die trashigen Filialen der Schnellbäcker sind das Standardinventar von Dejavuhausen. Dann sehe ich neben zwei der Starbucks-Klonen das Chill-Out-Area des Bahreiner Flughafens, ein komplettes Beduinenzelt, innen mit Kissen und Decken ausgestattet. Darauf liegen, lesen und lümmeln zahlreiche Herren. Es gibt sie also doch noch, die Unterschiede.